Helle Polarlichter in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2024
Zusammenfassung
Am Abend des 10. Mai 2024 traf ein CME, ein sogenannter Koronaler Massenauswurf, die Erde. Es sollte aber nicht der einzige sein, denn später folgte noch eine weitere "Schockfront". Neben einer sehr
hohen Dichte und Geschwindigkeit war besonders die Magnetfeldstärke sehr hoch, erreichte in der Spitze sogar um die 70 nT! Der Bz-Wert sank teilweise auf Werte von -50 nT, womit schon klar
war, dass ein starkes Polarlicht-Event anstand. Doch das es so der Art heftig ausfallen würde, wurde nicht mit gerechnet. Es waren übrigens die stärksten Polarlichter seit 20 Jahren, der Sonnensturm
erreichte die höchste Kategorie.
Zu dem Thema Polarlicht allgemein wird hier nicht eingegangen. Wer also wissen möchte, wie Polarlicht überhaupt entsteht und was zum Beispiel bei Beobachtungen zu beachten ist, der wird hier fündig:
Polarlichter
Teil 1: 10.05.2024
Noch bei Sonnenuntergang wurden die benötigten Sachen zusammengepackt, denn es musste noch ein passender Standort gesucht werden. Dieser wurde nordwestlich der Stadt Kirchhain eingenommen in einem
Feld weit abseits von Lichtquellen. In Richtung Norden waren zu dem kaum noch irgendwelche Städte und Dörfer, sodass mögliches Streulicht auch gering blieb. Einzig ein paar WKAs (Windkraftanlagen)
waren vorhanden, welche aber nicht groß die Beobachtung störten.
Im Gegensatz beim Polarlicht in der Nacht vom 05. auf den 06. Mai (mehr im
Polarlicht-Archiv) spielte das Wetter an dem Tag perfekt mit. Die tagsüber vorhandenen
Quellwolken hatten sich vollständig aufgelöst. Einzig ein Cirrus-Feld zog noch im Westen durch, welches aber dann auch schließlich fast verschwand. Doch warum sollte der Westen so wichtig sein, wenn
das Polarlicht ja im Norden auftritt? Doch der Westen sollte durchaus auch später wichtig sein, doch das war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar.
Die Kamera wurde schließlich in Position gebracht und eher nach Nordosten ausgerichtet, da im Nordwesten noch die Dämmerung störte. Die Sonne sank schließlich unter 6° und die nautische Dämmerung
begann. Eigentlich noch zu hell, doch es wurden bereits erste Testaufnahmen gemacht, um auch die nötigen Einstellungen sowie Ausrichtgung der Kamera zu finden. Kurz nach 22 Uhr MESZ, als die Sonne
gerade mal 9° unter dem Horizont stand, wurden tatsächlich erste rote Strahlen auf dem Kameradisplay sichtbar.
22:08 Uhr: die ersten roten Strahlen wurden sichtbar
Die Überraschung war groß, denn damit wurde nicht gerechnet und es sollte sich noch steigern, denn kurze Zeit später wurde es dann deutlicher:
22:16 Uhr: das Polarlicht wurde deutlicher
Und noch deutlicher! Von da an sogar mit bloßem Auge erkennbar, leicht in rot!
22:23 Uhr: das Polarlicht wurde nun auch visuell sichtbar
Doch das war noch nicht der Höhepunkt, denn in der astronomischen Dämmerung begann dann das erste Spektakel. Der Nordhimmel wurde selbst visuell jetzt rot. Auf der Kamera zeigte sich ein knalliges
Polarlicht in rot bis rosa. Zu dem konnte in Horizontnähe etwas Grün festgehalten werden, welches noch durch die Dämmerung beeinträchtigt wurde.
22:34 Uhr: erster Höhepunkt mit intensiven Farben
Ein guter Anfang! Die Aktivität ließ im Verlauf dann wieder nach, die hellsten Strahlen wanderten nach Nordwesten zur Mondsichel:
22:50 Uhr: helle rote Strahlen beim Mond
Um mal einen Eindruck zu bekommen, wie das Ganze visuell aussah:
Im Bild zeigte sich auch eine weitere Erscheinung die oft mit Polarlichtern auftritt: ein SAR-Bogen. Dieser war in Richtung Osten sogar noch viel deutlicher:
22:53 Uhr: Blick nach Osten, ein SAR-Bogen südlich des eigentlichen Polarlichts
Im Norden blieb ein visuell heller Streifen übrig, der als Dämmerung fehlgedeutet wurde. Es handelte sich nämlich um einen grünen Polarlichbogen, was erst wenig später klar werden sollte. Für weitere
Fotos wurde jetzt der Standort gewechselt, denn ein neues Motiv sollte her: Polarlicht mit Wasser. Das ist immer besonders, wenn das Polarlicht sich im Wasser spiegelt. Dies sollte in dieser Nacht
ausgenutzt werden.
Teil 2: Emporsteigen des grünen Bogens und Höhepunkt der Nacht
Was dann im Verlauf passieren sollte, wurde nicht mit gerechnet. Am neuen Standort angekommen wurden gleich ein paar Fotos für die richtige Einstellung gemacht. Erst hier fiel der intensive grüne Bogen
auf, natürlich mit Spiegelung im Wasser:
23:19 Uhr: der grüne Polarlichtbogen am neuen Standort
Bemerkenswert, denn das grüne Polarlicht tritt so weit südlich nur sehr selten in Erscheinung und kann am ehesten in Norddeutschland beobachtet werden. Doch diese Nacht wurde das Polarlichtoval weit
nach Süden katapultiert und lag mit seiner südlichen Grenze irgendwo an der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark. Von daher nicht weiter verwunderlich, dass auch der grüne Bogen jetzt weiter
südlich sichtbar wurde.
Im Verlauf fiel auf, dass dieser Bogen langsam an Höhe gewann, mittlerweile bis ins Sternbild Cassiopeia. Außerdem zeigten sich zunehmend auch Strukturen im grünen Bogen in Form von
Säulen und Strahlen in einer Art Vorhang:
23:44 Uhr: der grüne Bogen stieg langsam an und bekam Strukturen
Hier sollte auch nochmal der ungefähre visuelle Eindruck präsentiert werden:
Der grüne Bogen war ohne Probleme erkennbar und damit ist auch die grüne Farbe mit gemeint. Denn unsere Augen sind beim grünen Licht am empfindlichsten, da es in der Mitte unseres Spektrums liegt.
Wenn wir also Farben wahrnehmen, dann das Grün.
Das Emporsteigen des grünen Polarlichtbogens machte klar, dass jetzt jederzeit eine neuerliche Aktivität beginnen sollte. Denn allein das Aufbauen des Bogens ließ darauf deuten.
Da das vorhandene rote Glimmen weit in den Himmel reichte, wurde die Kamera schließlich weiter nach oben eingestellt, um die mögliche Aktivität vollständig drauf zu haben.
Doch das sollte sich schon dort als problematisch darstellen: zu hoch ging bereits das Polarlicht.
Der grüne Bogen stieg immer weiter, die Strukturen deutlicher und das Grün intensiver:
00:03 Uhr: der grüne Bogen entwickelte sich immer weiter
Nur fünf Minuten später wurden schließlich visuell emporsteigende Strahlen sichtbar:
00:08 Uhr: erste Strahlen oberhalb des grünen Bogens
Auf der Kamera sah das dann so aus:
Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass es zu einem Event kommen sollte, was so noch nie erlebt wurde. Eine regelrechte Farbexplosion begann:
00:21 Uhr: Beginn des Höhepunktes mit einer Farbexplosion
Absoluter Wahsinn! Die Kamera musste immer höher eingestellt werden, doch selbst da kam das Polarlicht nicht vollständig drauf. Hier wäre ein Fischauge sinnvoll gewesen, wenn denn eins verfügbar
gewesen wäre. Im Folgenden ein Video, was den emporsteigenden grünen Bogen bis zur Farbexplosion zeigen soll:
Das Polarlicht ging schließlich über den Zenit hinaus in den Südhimmel. Die Folge waren seltene Anblicke von Polarlicht. Einmal das Ganze nach Westen, wo kaum Bäume im Weg standen:
00:27 Uhr: Polalricht im Westen
Zum Glück hatte sich das Cirrus-Feld vom Abend weitestgehend verzogen, sonst hätte es jetzt definitiv gestört. Ein weiterer Blick ging nach oben, denn dort zeigten sich Strahlen kreisförmig, eine
Polarlichtkorona, die normalerweise nur in den hohen nördlichen Regionen wie Skandinavien zu sehen sind:
00:27 Uhr: Korona im Zenit
Bemerkenswert war auch die Farbenvielfalt: Grün, Rot, Violett, Blau, Rosa und sogar Orange. Letzteres ensteht durch die Überlagerung von Grün und Rot, Vorletzteres durch Überlagerung von Rot und
Violett. Die anderen Farben sind natürlich: Grün und Rot stammen von Sauerstoff, Violett und Blau von Stickstoff. Mehr dazu hier:
Polarlichter
Um eine bessere Übersicht in alle Himmelsrichtungen zu bekommen und die vorhandenen im Weg stehenden Bäume wegzubekommen, musste erneut der Standort gewechselt werden. Dies wurde auf einen
freiliegenden Feldweg gefunden.
Im Südosten zeigte sich derweil eine weitere Erscheinung, die bei Polarlicht auftreten kann und erst- und letztmals im April letzten Jahres gesichtet werden konnte: RAGDA!
00:32 Uhr: RAGDA im Südosten
Wer ebenfalls wissen möchte, was das genau ist, wird auch hier nochmals auf den allgemeinen Beitrag zu
Polarlichtern hingewiesen. Zur RAGDA mehr in Teil 3.
Später ließ sich feststellen, dass das Polarlicht im Süden eigentlich nur RAGDA war, die Korona ist vermutlich aus dem Polarlichtstrahlen im Norden und von den roten Strahlen in der RAGDA entstanden.
Das eigentliche Polarlicht stand also nach wie vor am Nordhimmel, wobei die Strahlen aber durchaus bis in den Zenit reichten. Die Farbenvielfalt war nach wie vor vorhanden: unten ein grüner Bogen,
welcher sich aber langsam zurückbildete, darüber Strahlen in Rot, Blau und Violett, sowie Mischfarben in Rosa und Orange. Im folgenden ein Bild vom Nordwesten:
00:42 Uhr: das Polarlicht im Nordwesten
Und einmal mit Blick nach Nordosten:
00:44 Uhr: das Polarlicht im Nordosten
Hier fällt im Bild auf, dass selbst die Landschaft in den Farben leuchtete! Visuell sah das zu dem Zeitpunkt etwa so aus:
Ungefährer visueller Eindruck
Selbst das Rot und Violett war mit bloßem Auge erkennbar und auch die Landschaft war aufgehellt während dieser sehr aktiven Phase. Besonders auffällig war der helle Strahl ganz außen.
Teil 3: RAGDA und Rückgang der Aktivität
Wie in Teil 2 schon erwähnt, trat am Südhimmel RAGDA auf, erkennbar daran, dass dort immer wieder grüne Flecken und Flächen aufflackerten, bzw. pulsierten. Darüber ein gleichmäßiger roter Bogen, in
welchem auch teilweise Strahlen tanzten. Besonders im Südosten war die RAGDA ausgeprägt, wo teilweise eine grüne Fläche vorhanden war:
00:44 Uhr: RAGDA im Südosten
Im Süden waren es überwiegend pulsierende grüne Flecken gewesen:
01:00 Uhr: RAGDA im Süden
Um die RAGDA und dort besonders die pulsierenden grünen Flecken, sowie die roten Strahlen zu verdeutlichen ein weiteres kurzes Video, was die RAGDA im Süden zeigt:
Die Polarlichtaktivität ging unterdessen am Nordhimmel weiter, doch ein allmählicher Rückgang der Aktivität war erkennbar. Der grüne Bogen formierte sich zwar wieder, doch er hatte sich wieder weit
nach Norden zurückgezogen. Darüber waren noch Strahlen in Violett erkennbar:
01:09 Uhr: das Polarlicht im Norden schwächt sich langsam ab
Für den grünen Bogen waren jetzt wieder Bäume im Weg, sodass sich nun auf dem Feldweg weiter südlicher positioniert wurde. In der Zeit ging die Aktivität noch weiter zurück, die RAGDA war zu dem
Zeitpunkt bereits vollständig verschwunden. Einzig ein kärftiger roter gleichmäßiger Bogen mit einzelnen Strahlen blieb übrig: ein SAR-Bogen.
01:21 Uhr: die RAGDA hat sich in einen SAR-Bogen umgewandelt
Im Norden war währenddessen nur noch der grüne Bogen visuell wahrzunehmen. Im Bild unten sind zwar auch noch einzelne Strahlen, sowie eine Fläche in überwiegend Violett erkennbar, doch visuell war das
allerhöchstens nur noch als Aufhellung des Himmels zu erkennen.
01:38 Uhr: das Polarlicht im Norden
Da die Aktivität auf diesem Niveau erst einmal blieb und der Akku der Kamera sich dem Ende zuneigte, wurde an dieser Stelle eine Pause der Beobachtung eingelegt.
Teil 4: Zweiter Höhepunkt und Ende der Beobachtung
Erst am frühen Morgen, wo die Aktivität wieder deutlich nach oben ging und der Akku wieder soweit voll war, wurde eine weitere Beobachtung gestartet. Dieses Mal ging es in das Feld südlich von Kirchhain.
Auf den Weg dorthin wurde ein Foto in der Stadt gemacht, um den Eindruck zu bekommen, wie das Ganze mit Lichtverschmutzung aussieht. Lichtverschmutzung war aber relativ, denn nachts wird hier die
Straßenbeleuchtung abgeschaltet.
02:55 Uhr: das Polarlicht von der Stadt aus
Auch wenn das Polarlicht wieder ohne Probleme mit bloßem Auge erkennbar war, auch die Farben, so fiel doch sehr auf, dass das Polarlicht im Gegensatz zum Höhepunkt nach Mitternacht deutlich weiter
im Norden stand. Die Strahlen erreichten dabei nur noch selten den Zenit.
Im Feld angekommen musste festgestellt werden, dass sich dort Nebel gebildet hatte. Suboptimal, da dann die Kameralinse aufgrund der hohen Luftfeuchte beschlägt und zum anderen der Nebel
selbst die Beobachtung störte. Deshalb wurde die Kamera auf einen Damm plaziert, wo der Nebel nicht hinkommen konnte. Doch ein Bild wurde doch im mit Bodennebel gefüllten Feld gemacht, denn Polarlicht
und Nebel kann auch durchaus reizvoll sein, besonders wenn Letzterer in den Farben leuchtete:
02:59 Uhr: Polarlicht mit Bodennebel
Höhepunkt waren wieder helle Strahlen, welche sogar in Violett gesehen werden konnten:
03:16 Uhr: visuell helle und farbige Strahlen
Auf der Kamera sah das dann so aus:
Auffällig war der jetzt auch zunehmende Anteil von blauen Polarlicht. Kein Wunder, denn die Sonne stieg langsam aber sicher höher und man näherte sich der Morgendämmerung. In den großen Höhen der
Atmosphäre ist die Sonne bereits aufgegangen, das Polarlicht wird also von unten aus von der Sonne beschienen, weshalb der Blauton entsteht. Man nennt es deshalb auch gerne Dämmerungspolarlicht.
Am Südhimmel in etwa beim Zenit war auch nach wie vor der SAR-Bogen vorhanden, welcher durchaus auch noch Strahlen aufwies:
03:30 Uhr, SAR-Bogen in Zenitnähe am Südhimmel
Das graue Band, was sich von oben links schräg nach unten zieht ist die Milchstraße. Die grauen Streifen rechts sind troposphärischen Gewölk in Form von Cirren. Oben links im Bild ist zu dem das
eigentliche Polalricht in Form von violetten Glimmen erkennbar. Das Polarlicht reichte also durchaus noch bis in den Zenit.
Wie oben bereits beschrieben, wurde der Blauanteil im Polarlicht langsam größer. Mit Beginn der astronomischen Dämmerung wurde das sogar noch deutlicher:
03:48 Uhr: der Blauanteil im Polarlicht nahm mit Beginn der Dämmerung deutlich zu
Man erkennt aber schon, dass besonders der vorhandene grüne Bogen schon merklich durch die Dämmerung geschwächt wurde. Außerdem zog aus Norden langsam ein Cirrus-Feld heran, was zusätzlich ein weiterer
Störfaktor wurde.
Mit Voranschreiten der Dämmerung wurde das Polarlicht zunehmend vom Dämmerungsbogen überstrahlt, es blieb aber auch noch hier lange sichtbar. Das letzte Bild stammte von 04:06 Uhr MESZ, wo die Sonne
bereits -12° unter dem Horizont stand, also der Beginn der nautischen Dämmerung:
Das letzte Bild aus der Polarlichtnacht
Danach wurde die Beobachtung abgebrochen, doch selbst auf den Weg nach Hause waren noch einzelne Strahlen in der nautischen Dämmerung erkennbar. Diese wurden aber immer schwächer und verschwanden
schließlich endgültig. Diese unfassbare Polarlichtnacht fand ihr Ende.