In diesem Kapitel soll jetzt die Frage geklärt werden, wie genau jetzt Polarlichter entstehen. Außerdem soll es hier um die Farben und Formen des Polarlichts gehen.
Treten nun im Schweifbereich des Erdmagnetfeldes Rekonnektionen auf, dann werden die Sonnenwindteilchen entlang der Feldlinien zu den magnetischen Polen gelenkt. Bei den Sonnenwindteilchen handelt es
sich überwiegend um Elektronen, aber auch Protonen sind dabei. Die Magnetfeldlinien durchschreiten dann irgendwann die Atmosphäre und die Teilchen können mit den Luftteilchen interagieren (Wiederholung aus dem vorherigen Kapitel).
Polarlichtauslösend sind die Elektronen, aber auch Protonen können Polarlicht auslösen. Der Einfachheit halber wird jetzt nur der Prozess mit den Elektronen beschrieben. Trifft ein Elektron auf ein
Luftteilchen, so überträgt es einen Teil seiner Energie auf das Luftteilchen. Überwiegend handelt es sich bei den Luftteilchen um Atome oder Moleküle (Atompaar verbunden durch Elektronpaarbindung).
In jedem Atom gibt es eine Elektronenhülle mit Orbitalen (Orbital wird, besonders in Schulzeiten, auch Schale genannt), wo sich die einzelnen Elektronen des Atoms aufhalten. Bei der Übertragung der
Energie wird ein Elektron in ein anderes Orbital, welches weiter weg vom Atomkern liegt, angehoben. Man spricht auch von einem energetisch höheren Niveau. Dieser Zustand ist aber recht instabil und
das Elektron fällt nach einer gewissen Zeit wieder auf sein Ursprungsorbital zurück. Es gibt dabei immer bestimmte Niveaus, sodass auch eine bestimmte Energiedifferenz besteht. Diese Energiedifferenz
muss jetzt aber irgendwo hin (Energie kann nicht erzeugt oder vernichtet, sondern nur umgewandelt werden) und das passiert in Form von Licht, in dem ein Photon mit einer bestimmten Wellenlänge
ausgesandt wird. Die Wellenlänge ist von der Energie und somit auch von den Übergängen abhängig. Der typische Bereich der Wellenlängen liegt im Bereich von UV, sichtbarem Licht und IR, wobei der
sichtbare Teil hier der relevanteste ist, da wir nur diesen Bereich sehen können. Den Prozess mit der Abstrahlung beim Abregen nennt man übrigens Lumineszenz. Unser Polarlicht ist entstanden.
Polarlichter entstehen also, wenn Elektronen auf Luftteilchen treffen und diese anregen und dann beim Abregen Photonen aussenden. Doch wie entstehen jetzt die Farben?
Bei den Luftteilchen handelt es sich um Sauerstoffatome O, sowie Stickstoffmoleküle N
2 oder Stickstoff-Ionen N
2+. Polarlicht tritt dabei in Höhen von 80 bis 600
Kilometern in der Atmosphäre auf, wobei der überwiegende Teil im Bereich zwischen 100 und 500 Kilometern stattfindet. Das Polarlicht ist also in der Thermosphäre und ein sehr geringer Teil im oberen
Bereich der Mesosphäre, bzw. der Mesopause. In
Atmosphäre wurde bereits beschrieben, dass in dieser großen Höhe die kurzwellige UV-Strahlung bereits so intensiv ist,
dass Sauerstoff nicht mehr als Molekül, sondern nur noch in atomarer Art vorkommt. Außerdem kommt es hier zur Bildung von Ionen. Polarlicht hat vier natürliche Farben: einmal grün und rot durch
Sauerstoff und einmal blau und violett durch Stickstoff. Grünes Polarlicht tritt in Höhen von 90 bis 200 Kilometern auf, rotes Polarlicht darüber im Bereich von 200 bis 500, teilweise auch 600
Kilometern. Violettes Polarlicht tritt in 80 bis 100 Kilometern auf, kann aber auch noch darüber auftreten. Blaues Polarlicht tritt meist im Bereich von 100 bis 600 Kilometern auf, wobei aber hier
Sonnenlicht von Nöten ist. Das blaue Polarlicht kann in extremen Fällen sogar noch weitaus höher reichen (siehe dazu später im 3. Kapitel). Doch warum gibt es diese Abgrenzung?
Die Antwort auf die Frage ist einfacher als man denkt: es hat mit der Luftdichte zu tun. Grünes Polarlicht tritt also in dichterer Luft auf und rotes Polarlicht in dünnerer Luft darüber. Unterhalb
von 80 Kilometern ist die Luft dann so dicht, sodass die polarlichtauslösenden Elektronen gar nicht mehr durchkommen. Oberhalb von 600 Kilometern ist die Luft dann zu dünn, um überhaupt Polarlicht
auszulösen (Ausnahmen gibt es aber, dazu wie schon oben beschrieben im 3. Kapitel). Doch nicht nur die Luftdichte spielt bei den unterschiedlichen Farben eine Rolle, sondern auch noch andere Faktoren.
In der unteren Atmosphäre sind noch so viele Teilchen da, sodass die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass ein Teilchen auf ein anderes trifft, höher ist, als das es genügend Zeit hat, sich abzuregen.
Das passiert mit Sauerstoff: in den unteren Teilen von 90 bis 200 Kilometer treffen angeregte Stickstoffmoleküle auf die Sauerstoffatome und übertragen dabei die Energie auf das Sauerstoffatom. Dieses
erreicht nur dann den angeregten Zustand, wo grünes Licht von 557,7 nm abgestrahlt wird. Weiter höher oberhalb 200 Kilometern ist nicht mehr genügend Stickstoff vorhanden, sodass genug Zeit bleibt,
dass der angeregte Sauerstoff von alleine rotes Licht im Bereich 630 nm abstrahlt. Bei diesen beiden Wellenlängen (557,7 und 630 nm) handelt es sich übrigens um physikalisch "verbotene" Bereiche. Um das
jetzt und generell den Prozess während der Anregung zu erklären, würde hier der Rahmen gesprengt werden. Außerdem ist dies ein eigenes Thema, welches bei Bedarf vielleicht nochmals separat veröffentlicht wird.
Hier reicht erst einmal die Erklärung aus Kapitel 2.1. völlig aus zum besseren Verständnis.
Molekularer Stickstoff (N
2) emittiert violettes Licht im Bereich von 391,4 nm. Damit Stickstoff aber überhaupt Licht emitiert, bedarf es hohe Energien. Daneben kann noch ionisierter
Stickstoff (N
2+) blaues Licht bei einer Wellenlänge von 427,8 nm emittieren. Dies geschieht dabei in Kombination mit Sonnenlicht. Denn erst dann wird der Stickstoff ionisiert
(UV-Strahlung der Sonne spaltet ein Elektron ab). Man nennt es auch gerne Dämmerungspolarlicht, da dann die Sonne in der Hochatmosphäre noch weit über dem Horizont steht.

Beispiele von Polarlicht mit den typischen Farben. Links alle Farben in grün, rot, blau und violett, sowie Mischfarben in pink und orange in der Nacht zum 11.05.2024 und rechts die typische
Höhenabstufung von grünen und roten Polarlicht am Abend des 12.08.2024.
Die meisten Polarlichter in unseren Breiten sind übrigens rot. Das liegt daran, dass wir von hier aus auf die Polarlichter über Skandinavien schauen. Das nicht so hochreichende grüne Polarlicht liegt
dabei unter dem Horizont und ist somit nicht sichtbar. Anders beim roten Polarlicht, denn es liegt noch weitaus höher und kann selbst wenn das Polarlicht über Nordskandinavien steht noch von
Deutschland aus nachgewiesen werden. Erst wenn das Polarlicht weiter nach Süden wandert, dann steigt es höher und irgendwann wird auch das grüne Polarlicht sichtbar. Dass die Teilchen in unseren
Breiten nicht so tief kommen, wie im Norden, ist eher ein Gerücht, denn sehr wohl kann das Polarlicht selbst hier grün sein (siehe die beiden obigen Bilder).
Polarlicht kann vielfältige Formen annehmen. Oft ist es nur ein "Glimmen", es treten aber auch häufig Strahlen auf. Bei den Strahlen handelt es sich übrigens um die Feldlinien des Erdmagnetfeldes,
welches dank des Polarlichts somit sichtbar werden. Denn die polarlichtauslösenden Elektronen bewegen sich ja spiralförmig um die Feldlinien. Insgesamt unterscheidet man neun Formen, die das Polarlicht aufweisen kann.
Polarlicht ist sehr dynamisch und verändert sich teilweise in nur sehr kurzer Zeit. Besonders das grüne Polarlicht verändert sich sehr schnell in nur wenigen Sekunden. Das rote Polarlicht hält in der
Regel noch deutlich länger an mit wenigen Minuten. Deshalb glüht es oft noch lange rot nach, obwohl das grüne Polarlicht vielleicht schon verschwunden ist. Das liegt einfach daran, dass das Abregen bei
der Emission von roten Licht einfach länger dauert. Ein regelrechter Ausbruch von Polarlicht kann in nur wenigen Sekunden losgehen. Während vorher vielleicht nur ein Glimmen vorhanden war, kann in den
nächsten Sekunden der ganze Himmel dann "brennen". Außerdem beobachtet man sehr häufig wandernde Strahlen. Wie sowas aussieht und das Polarlicht wirklich innerhalb von sehr kurzer Zeit richtig losgehen
kann, soll folgendes Video eines Polarlichts am Abend des 12. August 2024 zeigen:
Polarlicht am Abend des 12.08.2024, Video aus Einzelbildern mit jeweils fünf Sekunden Belichtungszeit